Schlagwort: Kunsttherapie

  • SFU: Kunsttherapie ohne Kunst

    Das Geschäft mit der Kunsttherapie hat begonnen

    Zumindest für die Sigmund Freud Privatuniversität (SFU). Seit 2014 bietet die SFU einen Universitätsehrgang für Kunsttherapie an. Nach vier Semestern erhält man ein Zertifikat, nach fünf Semestern einen Abschluss als Master of Arts (M.A.) für Kunsttherapie. Damit hat sich die SFU in einem Feld positioniert, das bisher von kleinen Ausbildungseinrichtungen für Kunsttherapie besetzt war, die keine Akkreditierung vom Wissenschaftsministerium vorzeigen konnten. Der Universitätsehrgang kostet 2.640,- € pro Semester und ist gut besucht.

    Die Lehrgänge der kleinen Kunsttherapieschulen sind wesentlich billiger, das inhaltliche Angebot ist unterschiedlich. Die Zertifikate sind in der Praxis eher gleich viel wert, denn einen Berufsschutz gibt es nur für Musiktherapie nicht jedoch für Kunsttherapie. Kunsttherapeut kann sich jeder nennen. Kunsttherapeutinnen finden im öffentlichen Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen keine Beschäftigung. Sie können eventuell in privater Initiative jemanden finden, der für ihre Dienstleistung etwas zahlt.

    Der SFU-Lehrgang ist vermutlich deshalb so gut besucht, weil sich die Studenten mit dem Universitätsabschluss als Master einen Wettbewerbsvorteil auf dem Dienstleistungsmarkt der Kunsttherapie erhoffen – die Titelsucht ist groß. Vielleicht haben die Absolventen Glück, und es gibt in einigen Jahren ein Kunsttherapiegesetz, das ihnen die exklusive Berufsausübung der Kunsttherapie erlaubt. Vielleicht wird es in einem Jahrzehnt Kassenleistungen für Kunsttherapie oder Anstellungen in Krankenhäusern für sie geben. Wer weiß?

    Kunsttherapie ohne Kunst?

    Der Anteil von „Bild- und Materialkunde“ am gesamten SFU-Lehrgang für Kunsttherapie beträgt mickrige 6 %. Das sind z.B. 2 Wochenend-Workshops oder etwa 4 Wochenstunden jeweils im 2., 3., und 4. Semester. Eine andere Kunstpraxis ist im Curriculum nicht vorgesehen.

    In dieser Art von Kunsttherapie verkommt die „Kunst“ zum Stichwortgeber für therapeutische Gespräche. Man beschränkt sich auf „klinisch-rehabilitative Kunsttherapie“ als wäre sie eine Psychotherapie.

    Aus meiner Sicht ist aber die Kunst die wesentliche Kategorie, aus der sich die Wirkungsweise von Kunsttherapie erklärt. Alle magischen, philosophischen, pädagogischen, sozialen, gesundheitsfördernden und der Persönlichkeitsentwicklung dienenden Funktionen der Kunst verdienen umfassende Beachtung in Theorie und Praxis der Kunsttherapie.

    Wenn die künstlerische Tätigkeit offen bleibt und nicht zielgerichtet ist, hat Kunst als Selbsterfahrungsstrategie auch eine (selbst-) heilende Funktion. Die künstlerische Gestaltung schafft die unwahrscheinlichste Ordnung, die aus sich selbst zur Form wird, die ohne erkennbaren Grund, ohne festes Fundament auskommt. Gerade mit den nonverbalen Äußerungen der bildenden Kunst haben wir die Möglichkeit uns die Vorherrschaft des Symbolischen vor dem Realen (was immer das Reale sein mag) bewusst zu machen. Erst das Denken schafft Strukturen. Denken und Strukturen wiederum können nur im Kontext halbwegs begriffen werden. In diesem Prozess der Bewusstwerdung kann die Kunst vielfältige Dienste leisten. Dieses aufklärerische Potential der Kunst muss in einer Kunsttherapieausbildung vermittelt werden. Die Selbstwerdung der Menschen wird angestrebt.

    Künstlerische Praxis ist die Hauptsache bei der Kunsttherapie.
    Kunst verstehe ich als Ausdruck geistiger und seelischer Prozesse mit künstlerischen Mitteln. Die Studierenden der Kunsttherapie sollten die handwerklichen Grundlagen der künstlerischen Medien (Zeichnung, Malerei, Bildhauerei, Fotografie, Installation usw.), Materialkunde und Techniken, Ausstellungsgestaltung etc. erlernen. Sie sollten eine Schulung der visuellen Wahrnehmung erhalten, d.h. die Aufmerksamkeit auf visuelle Informationen zu lenken erlernen. Weitere Schwerpunkte wären Abstraktion, Konstruktion, Ungegenständlichkeit, Kontext von Bildwerken. Der Weg sollte die Studierenden zur beständigen Vertiefung ihrer Fähigkeit zu authentischer bildnerischer Arbeit führen. Nur so können sie als Kunsttherapeutinnen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.

    Diese Art von Kunsttherapie sucht man an der SFU vergeblich. Stattdessen verfällt man in eine obsolete Heilerpose und hofft dass man damit Geld verdient. Schade.

  • poesietherapie

    Der Begriff Poesietherapie ist mir neu.  Die akademie für poesietherapie in Wien bietet Ausbildungslehrgänge an. Die kosten. Nicht angeboten wird angewandte Poesietherapie. Da halte ich es lieber mit dem Zitat auf ihrer Webseite:

    „Ich brauche nichts als ein Stück Papier und ein Schreibwerkzeug, und ich werde die Welt aus den Angeln heben.“

    (Friedrich Nietzsche)

  • Kunsttherapie – ein schillernder Begriff

    Kunsttherapie ist ein schillernder Begriff und erfreut sich hoher Beliebtheit. Kunsttherapie begreift sich in erster Linie als Therapie und erst in zweiter Linie als Kunst bzw. Kunsterfahrung.

    Die Konnotationen von Kunsttherapie reichen von ArtBrut, Gugging, über Kunst mit Behinderten und Kunsttherapie in allen sozialen Feldern inkl. Gesundheitswesen, Gefängnis  und Schulen, bis zu animatorischen Ereignissen.

    Auf psychology48.com oder  Wikipedia ist zu diesem Thema manches nachzulesen. Ausbildungorganisationen für Kunsttherapie machen auf ihren Webseiten deutlich, was sie unter Kunsttherapie verstehen: In Deutschland u.a die Fachhochschule Ottersberg, die Alanus Hochschule, in Österreich die Wiener Schule für Kunsttherapie,  der Österreichische Fachverband für Kunsttherapie.

    Das Österreichische Kolleg für Kunsttherapie

    „erfüllt das Rahmencuriculum des ÖFKG, europäische Ausbildungsstandards und ermöglicht den Abschluß als psychodynamisch orientierte KunsttherapeutIn. Es bietet eine Plattform, Kunsttherapie zukünftig als eigenständiges Verfahren nach dem österreichischen Psychotherapiegesetz zu diskutieren und unterstützt aktiv Bestrebungen einer berufspolitisch gesetztlichen Anerkennung. …  Im künstlerischen Gestaltungsvorgang bekommen sowohl inneres als auch äußeres Erleben individuellen Ausdruck. Dies kann auch als Selbst-Aktualisierungsvorgang bezeichnet werden. Während dieses Vorgangs werden Symbole gebildet, die eine Brückenfunktion zwischen bewussten und unbewussten Inhalten darstellen. In der kunsttherapeutischen Durcharbeitung können diese bewusst gemacht und wieder angeeignet werden, (S. Bulfon)“

    Tatsache ist: Es gibt kein einheitliches Berufsbild für Kunsttherapie und eine staatliche Anerkennung für kunsttherapeutische Ausbildungsgänge gibt es bislang in Österreich auch nicht. Kunsttherapie darf nicht als Psychotherapie bezeichnet werden. Mit der berufspolitischen gesetzlichen Anerkennung geht es neben einer vermeintlichen Qualitätssicherung auch um den Zugang zum therapeutischen Markt.

    Große Fragen bleiben offen: Ist Kunst und Leben eine einzige Therapie? Brauchen wir Berufstherapeuten zum „Durcharbeiten“ unserer künstlerischen Gestaltungen? Ist nicht Kunsterfahrung für sich schon ein integraler Bestandteil der Selbst- und Welterfahrung jedes Menschen? Ist nun jeder Mensch – auch der/die Leidende –  ein Künstler / eine Künstlerin, oder bloß ein Objekt für Therapie?

    Kunsterfahrung ist Selbsthilfe.